Miliz? Eine republikanische Ideologie: Jeder befähigte Bürger übernimmt neben- und ehrenamtlich (s)eine Aufgabe für die Gemeinschaft. Genauso funktioniert auch die Académie. Culinaire und Christoph Hunziker als Bocuse d’Or-Kandidat.

Heute wird die «Académie Culinaire Suisse» von keinem geringeren als Franck Giovannini präsidiert. Er selber erreichte am Bocuse d’Or 2007 mit dem 3. Platz die bisher beste Platzierung und den einzigen Podestplatz für die Schweiz. Auch über das Ganze betrachtet sind die Schweizer Exploits jeweils eine grossartige Leistung: 9x in den Top 10, davon 8x in den Top 6 und 1x in den Top 3. Gemessen an den Mitteln anderer Länder ist die Schweiz definitiv der David, der jeweils gegen einige Goliaths anzutreten hat. In einigen Ländern, insbesondere den skandinavischen, hat der Bocuse d’Or bzw. ganz generell die Kulinarik einen wesentlich höheren Stellenwert. Dort werden teilweise auch Tourismus-Gelder investiert. Der Erfolg, mitunter auch der Nutzen für den Tourismus, geben diesen Ländern recht. Avantgardistische Naturküche haben die Nordländer für sich reklamiert und niemand reist dafür mehr ins Entlebuch, wo sie ebenfalls eine Heimat hätte.

In diesen Ländern trainieren die Kandidatinnen und Kandidaten ein Jahr lang ausschliesslich für den Wettbewerb. In der Schweiz, mit unserem Hang zum Milizsystem, funktionieren wir anders: Der Kandidat Christoph Hunziker ist selbständiger Wirt und Koch im Schüpbärg-Beizli im gleichnamigen Berner Weiler. Hier muss der der Koch gleichzeitig sein Unternehmen betreiben und sich minutiös auf den Wettbewerb vorbereiten.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen und allen Anforderungen gerecht zu werden, hat der ehemalige Besitzer der Kartoffelverarbeitungsfirma KADI in Langenthal und begeisterter Anhänger des Geistes und der Philosophie des Bocuse d’Or, Peter R. Geiser, die Ausgestaltung, Umsetzung und Inbetriebnahme einer modularen und örtlich ungebundenen Küche finanziert, die nach dem Gründer der Académie Suisse Bocuse d’Or benannt wurde: La Cuisine Philipe Rochat.

Milizsystem? Was ist das?

Im Grunde handelt es sich um das partizipative Organisationsprinzip eines politischen Systems und ist als solches ein typisches Merkmal der Schweiz. Es bezeichnet öffentliche Aufgaben, die nebenberuflich ausgeübt werden und sich so grosse Teile der Bevölkerung am Organisieren des Zusammenlebens beteiligen. Das Schweizer «Beteiligungssystem» hat als unsere zentrale Säule der Politik viele Vorteile. Es fördert die direkte Demokratie, den Föderalismus und das Übereinstimmungsprinzip der Konkordanz. Gerade aber in Leistungsbereichen wie im Sport, oder bei Wettbewerben wie eben dem Bocuse d’Or, beschränkt das Milizsystem das reine Volumen an Zeit um zu trainieren. Deshalb wurde jetzt die Trainingsküche «La Cuisine Philippe Rochat» umgesetzt. Die modulare Einheit wird nahe bei Kandidaten aufgebaut, so dass er trainieren kann, ohne dass er seinen Haupterwerb vernachlässigen muss.

Der Miliz-Wettbewerbs-Koch vom Schüpbärgbeizli.

Der Wirt und Koch vom Schüpberg-Beizli, das klingt so niedlich. Es ist wohl auch seine lockere Art und sein sympathisches Lachen, das dem Betrachter mitunter das Bild vermittelt, kochen im Beizli und kochen am Wettbewerb gehe so «locker aus dem Handgelenk.» Dem ist mitnichten so. Hunziker führt seinen äusserst erfolgreichen und immer ausgebuchten Betrieb zusammen mit seiner Frau Sarah, kocht Mittags- und Abendservice und trainiert in der Zimmerstunde auf den Wettbewerb hin. Natürlich schreibt er das nicht an – doch der gelernte Koch ist diplomierter Diätkoch, hat die Auszeichnung als Gastronomiekoch und den Eidg. Dipl. Küchenchef erfolgreich abgeschlossen. Genau diese Ballung an Wissen- und Berufserfahrung, gepaart mit dem Willen sich zu beteiligen, ist letztendlich auch die grosse Stärke der Schweiz.

In der Schweiz basiert das gesamte Engagement eines Kandidaten oder einer Kandidatin des Bocuse d’Or auf der Basis, dass er oder sie seine respektive ihre Fähigkeiten nebenamtlich für die Gemeinschaft einbringt. Oder einfach gesagt: arbeiten – trainieren – arbeiten – trainieren – Wettkampf für den Schweizer Kochberuf. Andere Nationen stellen Kandidaten bei vollem Lohn frei, damit sie sich monatelang vorbereiten können, während Christoph Hunziker als Unternehmer sein Restaurant führen und dafür kochen muss, während er nebenher in der Zimmerstunde in der Cuisine Philippe Rochat trainiert.

• Hier lesen Sie über das Milizsystem im «Historisches Lexikon der Schweiz»:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/043694/2009-11-10/

• Hier finden Sie die Hunzikers im Schüpberg-Beizli:
https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/043694/2009-11-10/

Ein Zitat des Dalai Lama, welches das Wesen des Milizsystem allgemein und die Académie Clinaire Suisse im Besonderen unterstreicht: «Mit anderen Menschen zusammen erreichen wir mehr als alleine.»